1933-1945

Die saarländischen Künstler während der Zeit des Nationalsozialismus – 1933-1945

Katalog aus der Zeit des Nationalsozialismus, „Künstler im feldgrauen Rock“, 1941

„Im Deutschen Reich haben Adolf Hitler und die NSDAP per Ermächtigungsgesetz die Macht übernommen und begonnen, die Gesellschaft im nationalsozialistischen Sinn gleichzuschalten. Die saarländischen Künstler, reichlich desorientiert von den Nachrichten aus der Reichshauptstadt, lassen die geplante Wanderausstellung auf der Basis der Berliner Sonderschau platzen, mangelndes Interesse der Beteiligten, eine Abstimmung mit den Füßen. Stattdessen betreiben sie den organisatorischen Anschluss an die Künstlerverbände im Reich. Ihr Bund geht über in den Reichsverband bildender Künstler, Gau Südwestdeutschland, der von Koblenz aus gesteuert wird, de facto die freiwillige Gleichschaltung mit nationalsozialistisch kontrollierten Organisationen. Albert Bohn scheint das noch nicht genug. Er, ein Parteigänger der NSDAP, betreibt ab Sommer 1933 mit einer Reihe von Gleichgesinnten wie dem Maler Ernst Sonnet oder dem Leiter der Radierwerkstatt an der Kunstgewerbeschule Heinrich von Rüden die Gründung des Reichskartells der Bildenden Künste, Bezirksgruppe Saar. Auch Fritz Zolnhofer gehört zu den Gründungsmitgliedem. Es ist eine Formierung, die der Restrukturierung der Gauverwaltungen im Reich Rechnung trägt, die den Anschluss an den entsprechenden Dachverband in Neustadt an der Weinstraße sucht und anscheinend kurz darauf die andere Neugründung verdrängt. Albert Bohn übernimmt den ersten Vorsitz und tritt nun als Ausstellungsmacher auf…

… Diese Zeit der Anbiederung an das Reich lädt dazu ein, offenstehende Rechnungen zu begleichen, persönliche Abneigungen mit politischen Mitteln auszuleben. Da wird kräftig schmutzige Wäsche gewaschen. Hermann Keuth, und Fritz Grewenig, 2. Vorsitzender und 1. Vorsitzender des Reichsverbandes, sind sich nicht grün. Wegen der Konkurrenz zwischen Heimatmuseum und staatlicher Kunstsammlung, es geht um Räumlichkeiten, um Gelder vielleicht. Hermann Keuth heckt gegen Fritz Grewenig eine Kabale aus, um ihn als Vorsitzenden des Reichsverbandes abzusetzen. Er bezichtigt ihn separatistischer Umtriebe im Saargebiet. Ein in dieser Zeit deutsch-patriotischer Wallungen höchst gefährlicher Vorwurf …
(Uwe Loebens, „Die arglosen Verräter“, 1998)

… Die Mitgliedschaft in der Reichskammer der Bildenden Künste als der Berufsorganisation, die allerdings nur ‚professionell‘ arbeitende Künstler akzeptiert, ist Pflicht. Ohne ihre Genehmigung geht nichts. Kein Ausstellungsvorhaben ohne sie. Über Zuteilungskarten von Farben und anderem Künstlerbedarf soll sie künstlerisch wie politisch Zensur geübt haben. Allerdings hört man hier mal wieder Gegensätzliches. Richard Eberle, der die Nazizeit als junger Kunststudent erlebt hat, will sich daran erinnern, daß eine solche Kontrolle über Zuteilungskarten erst mit Einführung der Kriegsbewirtschaftung eingeführt worden sei. Zuvor habe man die Materialien im freien Handel ohne Probleme erwerben können. Wie auch immer, sich nicht dem Diktat der Reichskammer zu unterwerfen, hätte den künstlerischen Selbstmord bedeutet. Das macht die saarländischen Maler und Bildhauer gefügig…
(Uwe Loebens, „Die arglosen Verräter“, 1998)

… Den saarländischen Künstlern, selbst Albert Bohn, dem ausgewiesenen Nazifunktionär, wird man schwerlich eine ausdrücklich nationalsozialistische Kunstproduktion nachweisen können. Auch der Lehrer der Kunstgewerbeschule Fritz Claus, bereits 1933 als stellvertretender Referent der Fachgruppe Bildhauer bei der Reichskulturkammer in Neustadt tätig, fällt eher durch spätimpressionistische Porträtbüsten als durch Propagandaskulptur auf. Und dennoch arbeiten die saarländischen Künstler im gewünschten Geist. Der Gaukulturwart Kurt Kölsch im Katalog zur Westmark-Ausstellung 1936:

„Es ist nicht so, dass die saarpfälzischen Künstler nur die Fahnen und aufgereckten Standarten des nationalsozialistischen Deutschlands malen müssen,- sie sind sehr scheu in diesem Bekenntnis zum lebendigen Sozialismus der Westmark, die hier an der Grenze zwischen unserer und der westlichen Welt hingesetzt ist als Beispiel und Zeugnis einer Gesinnung, die alle liberalen Formen und Formeln von gestern überwunden hat in der Verpflichtung um das neue heilige Reich … Aus den Gestalten der Männer und Frauen spricht die unbändige und unbesiegliche Lebenskraft eines Stammes, der sich in allen Zeiten wechselvoller Schicksale an Rhein und Saar immer wieder so tapfer und aufrecht bewährt hat.“

Beim Anblick der in den Katalogen abgebildeten Werke gewinnt man den Eindruck, als habe die saarländische Kunst nach der Rückgliederung des Saargebiets mit dem Kontakt zum internationalen Geschehen auch ihre Kraft verloren und als spiele nur) die zweite Garde der Künstler die erste Geige. Künstler, die wahrscheinlich nach 1935 so weiterarbeiten wie zuvor und sich willig instrumentalisieren lassen. Diese Kataloge spiegeln auch die widersprüchliche, konzeptionslose NS-Kunstpolitik. Der Pfälzer Hans Purrmann, ein alter Weggefährte von Albert Weißgerber, wird einerseits als „entartet‘ diffamiert, andererseits als repräsentativ bei den Westmark-Ausstellungen mit schöner Regelmäßigkeit vorgestellt. Und manchmal legen die Kunstwächter ein stark verzögertes Reizreflex-Verhalten an den Tag. Als 1942 der Maler Leo Grewenig, der bis 1935 mit Bildern einer ins Naive changierenden Sachlichkeit in Erscheinung getreten und danach in der Versenkung verschwunden war, um eine Ausstellungserlaubnis bei der Reichskulturkammer nachsucht, erhält er als Antwort nicht nur den Ausschlug aus der Reichskulturkammer, sondern mit dem Einzug seiner Materialbezugskarten Malverbot. Beworben hat er sich mit biederer Landschaftsmalerei, Ausdruck eines Kniefalls…
(Uwe Loebens, „Die arglosen Verräter“, 1998)

… Im Jahr 1934 eröffnete Reichspropagandaminister Goebbels in Berlin am 18.  Dezember die Ausstellung „Bildende Künstler an der Saar“. Diese neuerliche Sonderschau saarländischer Maler und Bildhauer in der Hauptstadt des Deutschen Reiches hatte nach den inzwischen geltenden Kriterien „die Eigenschaften einer guten Kunstschau: Qualität und Würde. … Alles Experimentieren und Auffallenwollen ist vermieden, und das gibt der Ausstellung eine seltene Geschlossenheit“. Natürlich machte man sich bei dieser Ausstellung den großen Namen des im Feld gefallenen Albert Weisgerber zunutze, die saardeutsche Gegenwart jedoch wurde von Künstlern wie Buschle und Bohn, Zolnhofer und Sonnet, sowie den 1932 noch zurückgewiesenen Knapp und Walter bestimmt; auch Fritz Claus nahm dieses Mal als Aussteller teil. Auf der anderen Seite bot für Künstler wie Fritz Grewenig, Jene oder Keuth dieses Forum keinen Platz mehr…
(Uwe Loebens, „Die arglosen Verräter“, 1998)

Kulturelle Vereinnahmung „kerndeutscher“ Gebiete

… Mit der militärischen Eroberung Frankreichs beginnt sofort die kulturelle Vereinnahmung der sogenannten kerndeutschen Gebiete Elsass und Lothringen. Letzteres bildet jetzt zusammen mit der Pfalz und dem Saargebiet die Verwaltungseinheit „Westmark“. Nach der seit 1933 im Saargebiet bewährten Methode stellen die lothringischen Maler und Bildhauer in den Westmark-Ausstellungen ihre Zugehörigkeit unter Beweis.

Gauleiter Bürckel, der sich bereits als „Reichsstatthalter“ in Österreich die Meriten eines Anschlußexperten erworben hat, heftet 1940 seinen persönlichen Ehrgeiz an den Gau Westmark. Er hat eine glänzende Idee, Künstler aus Österreich der Ostmark -, der Pfalz und dem Saargebiet erhalten die Einladung, im ehemaligen Kampfgebiet zwischen dem Westwall, den Bürckel gerne einen Altar nennt, und der Maginotlinie zu malen. (Später sollten dann dieselben Künstler in einem Austauschverfahren eine ähnliche Aktion in der Ostmark durchführen; aber dazu ist es nicht mehr gekommen,) Jetzt treffen sich 45 Künstler aus den drei Regionen in Saarbrücken, um tagtäglich mit dem Bus nach Lothringen zu fahren. Ihr Auftrag: den Blitzkrieg zu dokumentieren und die alten Begriffe „Westmark“ und „Ostmark“ durch diese pervertierte Form eines Kulturaustausches mit neuem Leben zu erfüllen. Saarländer sind dabei, darunter alte Bekannte: Mia Münster, Hermann Keuth und Fritz Zolnhofer.

Die Künstler zeigen sich sehr inspiriert von den Kriegsruinen. „Mit Begeisterung und von ihr ausgelöst einer wahren Schaffenswut“ (Katalog der Ausstellung) führen sie den Auftrag durch. Über 350 Zeichnungen, Aquarelle und Ölbilder können in der anschließenden Ausstellung präsentiert werden. Will man der im Katalog abgebildeten Auswahl glauben, schwanken die Arbeiten merkwürdig zwischen Heimatidyll, Ruinenromantik und martialischem Frontbericht…”
(Uwe Loebens, „Die arglosen Verräter“, 1998)

„Der nationalsozialistische Staat hat es sich zur Aufgabe gemacht, das deutsche Kulturschaffen nach besten Kräften zu fördern und die Kulturgüter der ganzen Nation zugänglich zu machen. Dieser Zielsetzung dient auch die auf Wunsch des Oberkommandos der Wehrmacht von der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ im Dezember 1941 und Januar 1942 in unserem Gaugebiet zur Durchführung gebrachte Ausstellung „KÜNSTLER IM FELDGRAUEN ROCK“ Künstler aus unserem Gaugebiet und darüber hinaus alle die in unserem Gaugebiet weilenden Soldaten zeigen hier ihre Werke. Alle Bevölkerungskreise haben hier die Möglichkeit, Erzeugnisse des Künstlers im feldgrauen Rock, sein Leben und sein Wirken in dieser großen Zeit kennenzulernen und zu erwerben und damit das Schaffen des Künstlers im Kriege weitgehendst zu fördern.“
(Grußwort von Gauleiter Bürckel im Katalog zur Ausstellung „Künstler im feldgrauen Rock“, Dez 1941 – Jan 1942)

„In diesem totalen Krieg, der uns alle in Mitleidenschaft zieht, mag es bei oberflächlicher Betrachtung scheinen, es gäbe bestimmt wichtigere und naheliegendere Probleme zu erörtern, als die Frage: „Wie steht heute der deutsche Mensch zu seiner Kunst?“ Man fragt sich, hat denn der deutsche Mensch bei seiner oft außerordentlich großen seelischen und körperlichen Beanspruchung überhaupt das Verlangen, sich mit Kunst in irgendeiner Form zu beschäftigen?
Wir wissen, dass der Krieg die Denkungsweise des Einzelnen, seine Einstellung zum Leben von Grund auf ändert und beeinflusst. Wir wissen ganz besonders, dass der Soldat in seiner steten Einsatzbereitschaft auf der Brücke zwischen Leben und Tod alle Dinge reiner und unverfälschter erkennt. So ist es ganz natürlich, dass in diesem Ringen alles Schlechte und Falsche, Alte und Morsche, in sich zusammenbrechen muss und Bestand nur das wirklich Große und Wahre haben kann, Der deutsche Mensch erkennt heute, dass eine dauernde Beanspruchung aller seelischen und körperlichen Mittel ein Übermaß an Kraft erfordert und, dass ihm die Kraft in der Hauptsache aus Quellen zuströmt, die ihn den Lauf der Dinge im Spiegel lebendiger Schönheit erblicken lässt. Und so ist es ein Suchen und Tasten nach den ewigen Wurzeln dieser Kräfte und last unbewußt findet so der Mensch wieder den Weg zur Kunst. Und so wird die Kunst, die ja vielgestaltig in ihren Ausdrucksformen ist, wieder für den deutschen Menschen zur Offenbarung einer lebensbejahenden Auffassung von Leben und Sein. In den heutigen Ausstellungen zeigen sich der Kampf und zugleich der Versöhnungswille mit den Kunstbestrebungen unserer Zeit.
Bei den westmärkischen Künstlern tritt, in gewissem Gegensatz zu den Malern anderer Gaue, das dynamische Element hervor, das ganz besonders in der Eindruckskunst eines Slevogt oder Weißgerber zu verspüren ist. Diese Schaffensart dürfte bedingt sein durch das Temperament dieser Menschen, dann aber auch durch die geoklimatischen Verhältnisse hier im Westen, so dass diese Eindruckskunst aus der Landschaft unserer engeren Heimat organisch herausgewachsen ist und sich immer innerhalb gesunder, vernünftiger Entwicklung bewegte. Bedenkt man ferner, dass die eben besprochene Kunstart noch der schöpferischen Quelle deutscher Romantik eigentlich die letzte große Stilart der Malerei war, so ist diese Treue zu der bodenständigen Kunst eigentlich etwas Selbstverständliches. Erwähnt sei noch, dass auch schon seit langen Jahren hier beobachtet werden konnte, dass das romantische Erleben den westmärkischen Künstlern ebenfalls von Natur aus im Blute liegt.
(Begleittext von Franz Fleischmann im Katalog „Kunstschaffen der Westmark“, 1942)