Geschichte

1922-1932
Die Gründung des Saarländischen Künstlerbundes und seine Anfänge

Die Gründungsmitglieder der Vorläufervereinigung „Vereinigung fortschrittlicher Künstler“, 1921, aus der ein Jahr später der Saarländische Künstlerbund hervorging.

Gründungsversammlung

„… Der Zeitpunkt (der Gründung) – 1922 – ist bezeichnend: Im Gegensatz zu dem regen Interesse an der Musik, für die es wenigstens seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts hierzulande auch für das jeweils Neue ein verständnisvolles Publikum gegeben hatte, herrschte für die bildende Kunst eine betrübliche Bedürfnislosigkeit. Die öffentliche Anteilnahme erschöpfte sich – so wurde schon einmal treffend formuliert – an dem vorschriftsmäßigen Sitz der in Erz gegossenen Uniformknöpfe der platt realistischen Kriegerdenkmäler. Und schon eine so zaghaft beschwingte Reiterfigur wie die des Ulanendenkmals von Fritz Klimsch erregte den Unwillen des provinziell verkümmerten Geschmacks…

… Die Gründung eines Künstlerbundes bedeutete einen wichtigen Fortschritt. Es gab nun also im Lande ansässige Künstler und sie schlossen sich zusammen. Diese Entwicklung hängt mit der großen kulturellen Erneuerung zusammen, die seit dem ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts, von einer großen Zahl schriftstellerischer und künstlerischer Begabungen getragen, der deutschen Kunst Ansporn und Weltoffenheit gegeben hat. Freilich kamen die Wellen dieser Bewegung verspätet in unser Grenzland. Aber die aus dem Weltkrieg zurückgekehrten Künstler fassten den Mut zum Neubeginn. Die frühen zwanziger Jahre waren für das Saarland eine Zeit kultureller Lebendigkeit…

… Die Gründung des Bundes hat ein bemerkenswertes Vorspiel, Ein gutes Jahr vorher, 1920, vielleicht auch erst 1921, hatten sich einige junge Kunstfreunde unter der Führung des Malers Peter Comes zu einer Gemeinschaft zusammengefunden, die sie „Vereinigung fortschrittlicher Künstler“ nannten …

… Das Beispiel der „Vereinigung“ regte ein Jahr später zur Gründung des Bundes an. An die Geburtsstunde – die offenbar mit Geburtswehen verbunden war – erinnert sich Erich Buschle: »Es muss in den Sommerferien gewesen sein – ich war ja von 1921 ab in Karlsruhe. Irgendjemand hat mich eingeladen. Die Versammlung fand im Gasthaus „Zum Kronprinzen“ statt in der Hohenzollernstraße, ungefähr in Höhe des Kultusministeriums, im Nebenzimmer. Es waren da: A. Bohn, Comes, neben mir H. v. Rüden, Loy Walter, der spätere Kunsthändler Kuschel, dann noch die beiden Zeichenlehrer Hierling und Gerlach, Sulzbach. Ob Fräulein Traut oder Ly Klein noch anwesend – fraglich. Irgendeine Dame war noch da und Fritz Grewenig. Als die Sache schon im Gange war trat R. Wenzel auf, leicht angesäuselt, fing gleich an, sich massiv zu beteiligen, und sagte dem Grewenig allerlei Freundlichkeiten. Kurzum, die Geschichte ging aus wie das Hornberger Schießen. – Was geplant war, Ausstellung, Eintragung ins Vereinsregister weiß ich nicht mehr…

…Zu den frühesten Mitgliedern des Bundes gehörten Otto Weil, Richard Wenzel, Heinrich von Rüden und, von der „Vereinigung“ herübergekommen, Albert Bohn. Letzterer ging noch im Jahre der Gründung auf die Akademie nach Karlsruhe. Er kehrte erst 1932 zurück, um mehrfach eine kunstpolitische Rolle zu spielen…

… Von besonderer Bedeutung für die Entwicklung des Bundes saarländischer Künstler wie für die saarländische Kunst im Ganzen war die Tätigkeit Fritz Grewenigs (1891-1975). Er war bis 1933 Vorsitzender des Bundes-Er verband erfolgreich die Begabung des Künstlers mit der eines Pädagogen und Organisators. Nach seinem Studium in Dresden begann er als freier Maler in Saarbrücken. Schon 1923 richtete er die erste umfassende Ausstellung saarländischer Kunst aus. Seine Lehrtätigkeit begann er mit einer Privatschule im Atelierhaus in der Roonstraße, das vorher Otto Weil innehatte. 1924 wurde daraus die staatliche Schule  für Kunst und Kunstgewerbe, die bis zu ihrer Auflösung 1936 durch den NS-Gauleiter bestand. Professor Grewenig war der Direktor. Der Schule angegliedert war das Staatliche Museum, für das Kunstwerke saarländischen Ursprungs und Druckgraphik von auswärts erworben wurden. Der Museumsbestand ist, soweit er Verschleuderung und Zerstörung der NS-Zeit überdauert hat, in das Saarland-Museum übernommen worden. In dem Museum wurden in der kurzen Zeit seines Bestehens über hundert Ausstellungen zeitgenössischer Kunst durchgeführt. Führende Vertreter der Avantgarde kamen nach Saarbrücken und sprachen im Museum über ihr Werk (z. B. Kandinsky, Kollwitz, Schlemmer). Damals lag Saarbrücken für kurze Zeit mitten in Europa…

… Die Bedeutung des Bundes wurde am Ende der zwanziger Jahre durch den Beitritt namhafter Künstler verstärkt. Es seien genannt die Malerin Mia Münster und die Maler Edgar Jené und Fritz Zolnhofer…

… 1931 fand im Saarbrücker Saalbau eine Gesamtschau saarländischer Kunst statt, bei der die Mitglieder des Künstlerbundes maßgebend beteiligt waren. Es folgte 1932 die „Sonderschau saarländischer Kunst“ im Rahmen der „Großen Berliner“, veranstaltet von der nach dem Staatsstreich des Herrn von Papen eingesetzten kommissarischen preußischen Verwaltung. In der damals schon zunehmend nationalistisch sich verengenden deutschen Kulturszene wurde die saarländische Kunst von den Berliner Kritikern wegen ihrer unbefangenen Weltoffenheit begrüßt…”
(Walter Schmeer in „60 Jahre Künstlerbund“, 1982)

Die Berliner Sonderschau

„Das Kartell der vereinigten Verbände bildender Künstler Berlins veranstaltet wie jedes Jahr im Schloss Bellevue zu Berlin die große „Berliner Kunst-Ausstellung“, die von Anfang September bis Ende Oktober 1932 dauert. Der Vorstand des genannten Verbandes hat beschlossen, als Sonderschau eine Ausstellung von heutiger Kunst der Saar einzufügen. Die Aufforderung der Beteiligung geht an alle im Saargebiet beheimateten oder tätigen Künstler. Zur Ausstellung sind Gemälde in jeder Technik, Graphik und Plastik zugelassen. Frachtkosten für den Hin- und Rücktransport Saarbrücken Berlin werden vergütet. Sammelstelle für den geschlossenen Transport ist Saarbrücken. Diejenigen Maler, Graphiker und Bildhauer, die sich an der Ausstellung zu beteiligen wünschen, wollen vorläufig ihre Bereitwilligkeit an Museumsdirektor Keuth, Saarbrücken, Heimatmuseum, baldigst mitteilen. Von dort aus werden die Ausstellungspapiere mit den Bedingungen verteilt. Entscheidend für die Beteiligung ist lediglich die Qualität. Die Jury, aus vier Saarbrücker und einem auswärtigen Herrn, wird über Aufnahme oder Ablehnung entscheiden Alle Anfragen sind an Direktor Keuth zu richten, dem seitens des Kartells die Organisation der Ausstellung übertragen wurde…

… In Berlin sollte vorgeführt werden, dass die saarländischen Grafiker, Maler und Bildhauer auf der einen Seite deutsche, ihrer Heimat verpflichtete Künstler waren, dass sie aber auf der anderen Seite von den modernen und internationalen Tendenzen der zeitgenössischen Kunstentwicklung nicht abgeschnitten waren. Man wollte der deutschen Öffentlichkeit zeigen, dass an der Saar, in einem durch die Folgen des verlorenen Krieges abgeriegelten Kleinterritorium, nicht nur Heimat- und Freizeitmaler zu finden waren…

… Welche Gedanken Keuth selbst dabei bewegt haben, kann man in seinem Dankesbrief an Walter Cohen nachlesen, in dem er wörtlich ausführt: „Ich glaube, dass die Zusammenstellung einen guten Eindruck machen wird, dass Saarbrücken in Berlin so vertreten ist, dass man uns nicht als ganz abseitig betrachtet. Es ist ja eine schwere Aufgabe, als Provinz, die noch dazu im äußersten Winkel liegt, sich im Zentrum kultureller Bewegungen zu zeigen. Was hier vielleicht für gut befunden wird, ist dort überflüssig. Ich hoffe, man beurteilt uns nicht so hart und wird das eine vor allem als Resultat kommen, dass man uns auch in kultureller Hinsicht nicht liegen lassen darf, dass man einsieht, dass hier Kräfte tätig sind, die nicht ganz gleichgültig.“
(Günter Schwarwath, „Die Kollektivausstellung saarländischer Künstler auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1932“, 1996)