1976-1995
„… Seien wir ehrlich: so eindeutig lässt sich der Stellenwert eines regionalen Künstlerbundes nicht bestimmen und auch das Selbst-Bewusstsein derer, die ihn tragen, ist nicht ganz so ungebrochen und unbeschwert, wie es manchem erscheinen mag. Gewiss, einerseits kann der Künstlerbund sicher sein, als Institution der regionalen Kunstszene bei „seinem“ Publikum ein wohlwollendes Echo zu finden und auch den Rückhalt, der für die künstlerische Arbeit nicht unwesentlich ist. Auch ist man stolz auf saarländische Künstler, die, heimatlich verbunden, außerhalb der Landesgrenzen Beachtung finden, und die randlagengeschädigten Saarländer nutzen gerne Gelegenheiten, ein schulterklopfendes Wir-Gefühl zu genießen. Andererseits werden regionale Künstlerbünde gerne belächelt und – zu Recht oder Unrecht des Provinzialismus verdächtigt. Von ihrer wichtigen Funktion für die regionale Kulturszene spricht dann niemand mehr. Die Maßstäbe für das, was zählt, kommen dann woanders her, und dort gilt das hierzulande längst werbewirksam gewordene Etikett „saarländisch“ denn doch als verdächtig – wenn es nicht gerade um Essen und Trinken geht. Gerechterweise müsste man reden von den spezifischen Schwierigkeiten, mit denen die Künstler in sogenannten „Randgebieten“ zu leben und zu arbeiten haben. Jeder wird sie anders empfinden. Gewiss fühlen sich manche in der vergleichsweisen „Stille“ dieser Region wohler, weil sie sich hier einen Platz erarbeiten können, der ihnen andernorts beständig und recht unbarmherzig streitig gemacht würde. Wer nur den avantgardistischen Augenblick gelten lässt, vergisst leicht, dass Künstler ein ganzes Leben lang arbeiten, sich wandelnd und sich treu bleibend einem einmal eingeschlagenen Weg folgen…
Die saarländische Kunstszene zeigt aber auch, daß viele die „Stille“ als eine Art Refugium nutzen, um unbehelligt von den Zwängen eines mächtigen Kunstmarktes und unbehelligt von den Zwängen immer häufiger wechselnder Avantgardismusideologien konsequent und überzeugend ihren Weg zu gehen – überzeugend nicht nur hierzulande: die allzu griffige Formel von Kunstmetropole hier und Kunstprovinz da erweist sich als recht unbrauchbar … Es wäre schön, wenn diese Ausstellung Gelegenheit und Anlass böte, über die Schwierigkeiten, die Chancen und die Leistungen künstlerischer Arbeit in diesem Lande nachzudenken. Die Einladung des Kultusministers, die Jahresausstellung 1985 im neuen Saarländischen Künstlerhaus zu zeigen und es damit zu eröffnen, hat der Saarländische Künstlerbund dankend angenommen; nicht nur, weil gemeinsame Ausstellungen wichtig sind für die Identität einer Künstlergruppe, sondern vor allem, weil damit die Chance gegeben ist, die im Entstehen begriffene Institution des Künstlerhauses mit Leben zu erfüllen und womöglich auch Maßstäbe zu setzen.
(Volker Lehnert in Katalog „Saarländischer Künstlerbund ’85“, 1985)
„… Diesel: … Es ist irgendwo Quatsch zu sagen, man muss da hingehen oder dort hingehen. Das ist „irgendwo“. Kunst entsteht irgendwo in der Provinz.
Lehnert: Was wir uns hier alle wünschen, das ist ein Klima, in dem man arbeiten kann. Es wird oft etwas verengt gesehen, als ob dazu bloß die ökonomischen Bedingungen gehörten. In gewisser Weise ist noch wichtiger, dass ein Klima herrscht, das Mut macht, auch Perspektiven bietet und dazu gehört eine gewisse Kontinuität in den Möglichkeiten, das, was gemacht wird, auch zeigen zu können.
Schulz: Vielleicht ist ja diese Ausstellung mit Künstlern des Saarländischen Künstlerbundes der Anfang einer kontinuierlichen Arbeit. Dazu gehört allerdings auch, dass man die Frage nach der Qualität stellt.
Steitz: Bei dem System, wie es mir vorschwebt, dass also Vereinigungen – unabhängig von ökonomischen Zwängen – für ein positives Kunstklima sorgen, da ist es unausbleiblich, dass die Frage der Qualität ständig diskutiert wird. Nun stößt sich natürlich die Forderung nach Qualität unter Umständen mit anderen Prinzipien, etwa dem der Demokratie. Das muss von Fall zu Fall diskutiert werden. Aber grundsätzlich existiert auch der Verein durch den Anspruch an sich selbst, Qualität zu bringen und sich entsprechend zu präsentieren. Das spricht auch dafür, dass Vereinigungen mit Ausstellungen in Eigenverantwortung an die Öffentlichkeit treten. Die andere Art wäre, dass irgendeine Autorität aus eigener Machtvollkommenheit sagt: Die kommen rein und die nicht.
Lehnert: Man muss auch hinzufügen, dass der Qualitätsbegriff sehr häufig synonym gebraucht wird mit der Vorstellung von Einheitlichkeit. Der Künstlerbund ist aber keine Künstlergruppe im programmatischen Sinn, sondern eine Gruppe, deren Ziel es ist, verschiedene Generationen und künstlerische Überzeugungen zusammenzuführen. Das ist das einzig Programmatische! Insgesamt hat sich dieses pluralistische Prinzip bewährt, weil wir keine „geschlossene Gesellschaft“ sind, sondern zur Weiterentwicklung fähig durch die Aufnahme junger Leute, die auch neue Tendenzen vertreten. Um noch einmal auf die „Einheitlichkeit“ zurückzukommen: Die Spanne der Altersunterschiede im Künstlerbund beträgt gut 50 Jahre! Auch bei dieser Ausstellung ist es wohl so, dass gerade ältere Kollegen plötzlich etwas isoliert dastehen, weil ihre Generationsgenossen nicht mehr da sind oder nicht mehr mit ausstellen.
Steitz: Das ist eine interessante Frage: Die Identifizierung mit so einem Verein, der durch diesen Pluralismus natürlich seine Schwierigkeiten hat. Für mich liegt im Gebot der Toleranz das Interessante, das Humanitäre.
Schulz: Mit welcher Mehrheit wird eigentlich ein neues Mitglied aufgenommen?
Lehnert: Mit der Mehrheit aller Mitglieder in
geheimer Wahl. Und es hängt natürlich auch immer ein bisschen davon ab,
welcher Personenkreis den Künstlerbund gerade „trägt“. Da hat sich in
den letzten zehn Jahren ein gewisser Generationswechsel vollzogen. In
den 50er Jahren war der Künstlerbund wohl eng mit der Saarbrücker
Kunstschule verflochten. Nach deren Auflösung zeigten sich auch gewisse
Auflösungserscheinungen im Künstlerbund. Die Situation hat sich nun
insofern wieder gebessert, dass jüngere Leute von außerhalb kamen oder
wieder zurückkamen ins Saarland, eingetreten sind und sich engagierten;
einfach deswegen, weil sie gemerkt haben, dass es nicht reicht, für sich
selbst Kunst zu machen – auch nicht, alleine auszustellen. Es geht auch
um den Austausch mit Kollegen, um das Gefühl, etwas gemeinsam auf die
Beine stellen zu können und inhaltliche Dinge auszudiskutieren. In
künstlerischen Fragen funktioniert das nicht immer, das gebe ich gern
zu…”
(Katalog „Saarländischer Künstlerbund“, 1986)
„Das neue Selbstbewusstsein, das Ursula Gießler in der Saarbrücker Zeitung dem Saarländischen Künstlerbund anläßlich der Ausstellung 1986 attestierte, war sicher zum großen Teil dem Engagement der jüngeren Mitglieder im Künstlerbund zu verdanken, die der wachsenden Resignation entgegenwirkten. Vier neue Mitglieder, die der Künstlerbund in der Zwischenzeit aufgenommen hat, haben diese Gruppe im Künstlerbund stärker gemacht: Francis Berrar, Bettina van Haaren, Werner Constroffer und Rolf Viva. Es sind Künstler, die in der Mehrzahl bereits gezeigt haben, dass Ausstellungserfahrung und künstlerische Anerkennung nicht nur im engeren Kreis der Region zu suchen sind.
Dass die Künstlerliste um sieben gegenüber 1986 erweitert wurde, zeigt den Stellenwert, den die Mitglieder des Künstlerbundes dieser Jahresausstellung mittlerweile beimessen. Für manchen, der beim ersten Mal eher zögerlich dabei war oder abwartend draußen blieb, stand die Teilnahme diesmal von Anfang an fest. Dass nicht alle künstlerischen Positionen bruchlos in einer solchen Ausstellung zusammengehen, kann bei dem breiten Spektrum der künstlerischen Arbeit der Mitglieder des Künstlerbundes nicht erwartet werden…”
(Bernd Schulz, „Saarländischer Künstlerbund“, 1988)
„Nach der Reduktion der Mittel in der letzten Künstlerbundausstellung (SCHWARZUNDWEISS, 1992/93) hat die Arbeitsgruppe des Saarländischen Künstlerbundes diesmal mit FARBENHEIT einen pogrammatischen Titel gewählt, der wie ein farbiges Echo auf die vorhergehende Ausstellungskonzeption wirkt. Die Thematisierung der Farbe als Mittel und Ausdruck ist sicher auch ein Reflex auf die aktuelle Diskussion über eine Renaissance der Malerei. Dieses wachsende Interesse für Malerei erscheint zunächst paradox, denn man erwartet angesichts der Überproduktion an Bildern in der mediatisierten Welt eher eine Ermüdung ästhetischer Wahrnehmung als eine wachsende Lust an künstlerisch produzierten Bildern. Unterstellt man, die Renaissance der Malerei sei weniger eine Reaktion auf Bedürfnisse der Betrachter als eine Verschiebung im Interessensspektrum der Künstler selbst, fragt man sich, woher der offensichtlich ungebrochene Glaube kommt, neue Möglichkeiten im Umgang mit der Farbe zu finden. Hat nicht Duchamp klargemacht, daß malen eine Dummheit ist? Wir wissen, daß trotz seines Verdikts der Netzhautkunst weitergemalt wurde, und dass dies geschehen konnte, weil das Sehen durch Selbstreflexion gebrochen wurde…
Es wäre wenig sinnvoll, unter den Künstlern, die in dieser Ausstellung vertreten sind, zu unterscheiden zwischen denen, die mit und denen, die an der Farbe arbeiten. Den heutigen Künstlern stehen schließlich beide Möglichkeiten gleichzeitig zur Verfügung. Es geht auch weniger um Differenzierungen innerhalb einer Gattung (der Malerei) als um unterschiedliche Haltungen, wobei die Farbe ein wichtiges Indiz von vielen ist…
(Bernd Schulz, „Farbenheit“, 1995)
„Die Selbstähnlichkeit der Farbe
Die Bedeutung der Farbe ändert sich durch kulturellen Gebrauch, und im telematischen Zeitalter sind es vor allem die Bilder der Apparate, die diese Veränderung bewirken. An dieser Gegebenheit der Beschleunigung führt kein Weg vorbei.
Nehmen wir einen Bildapparat der jungen Generation, Von seinem Schirm flutet ein mildes, farbgesättigtes, fast sakrales Licht. Es erinnert in seiner Wirkung an Glasfenster einer Kathedrale, und im Halbdunkel des Raums umschwebt den Betrachter vor dem Gerät eine geheimnisvolle Aura. Dieses Licht illuminiert die Köpfe von Millionen. Im Inneren des Apparates aber verborgen werkelt ein Prozessor mit ziemlich komplizierten Mitteln. Elektronenbits werden durch Stromkreise gejagt, Rechner kommen ins Schwitzen, und eine Kathodenstrahlelektronenröhre schleudert Pixel aus aktinischem Licht in den Farben Gelb, Rot und Blau auf das Hinterteil einer Mattscheibe in Richtung Betrachter und generiert ein Bild daraus, das sich sehen lassen kann. Es bewegt sich „in Echtzeit“, und der Betrachter könnte fasziniert sein: Die Illusion ist vollkommen, aber leider auch vollkommen banal. Die Echtzeit endet, die Matrix der Bilder bleibt im Dunkeln. Was man nicht sehen kann, muss man glauben: Vielleicht war die Matrix nur ein Rechner.
Ich male. Ich brauche einen Grund, einen Malgrund. Meine Pixel fliegen auf die Leinwand, sie sind nicht Licht, sondern handfeste Materie; ihre Codes sind die Schwerkraft. Meine Hand ersetzt die Elektronenschleuder, mein Kopf den Bildprozessor – er wechselt die Farbe, hier höre ich auf.“
(Heinz Diesel, „Farbenheit“, 1995)