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Château Sauvage

Saarländischer Künstlerbund und französische Gäste

23. 1. 2014 – 2. 3. 2014 | In der Saarländischen Galerie im Palais am Festungsgraben, Berlin

Eric Corne, Damien Deroubaix, François Génot, Mane Hellenthal, Johannes Lotz, Volker Sieben, Jérôme Zonder

Saarländischen Galerie im Palais am Festungsgraben
Am Festungsgraben 1
10117 Berlin
Telefon und Fax: 030-20077258
e-mail: info(at)saarlaendische-galerie.eu 

Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag, 15 – 19 Uhr

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Château Sauvage

Grenzenlos und ungezügelt

10. November 2013 bis 12. Januar 2014

Im Schloss Fellenberg treffen Künstler aus Frankreich und dem Saarland aufeinander

Jérôme Zonder

Es wird brachial und düster, gestisch und abstrakt, figürlich und rätselhaft im Schloss Fellenberg, erotisch, majestätisch und frostig, wenn sich dort Arbeiten sieben verschiedener Künstler begegnen. Drei von ihnen – Volker Sieben, Johannes Lotz und Mane Hellenthal – sind Mitglieder im Saarländischen Künstlerbund, der für die Organisation der Schau „Château Sauvage“ verantwortlich zeichnet. Die anderen vier – Damien Deroubaix, Eric Corne, François Génot und Jérôme Zonder – sind ihre französischen Gäste, die anlässlich des fünfzigjährigen Élysée-Jubiläums zur gemeinsamen Ausstellung nach Merzig eingeladen sind. 

Jeder der drei deutschen Künstler hat einen Partner gewählt, zu dem er oder sie eine Affinität verspürt. Die Verbindung muss sich dabei nicht in offensichtlichen Ähnlichkeiten zwischen den Werken zeigen. Für Gemeinsamkeiten bieten die binationalen Gegenüberstellungen genauso viel Platz wie für Unterschiede. Betrachtet man etwa die Arbeiten von Volker Sieben, geboren 1960 in Eiweiler, und die seines Gasts Damien Deroubaix, geboren 1972 in Lille, scheint es zunächst gar keine Überschneidungen zu geben. Während der Franzose hauptsächlich Holzschnitte, Aquarelle und Installationen fertigt, malt der Deutsche mit Öl und Kreide. Deroubaixs vom Metal-Rock inspirierter Bilderkosmos ist figürlich, die gestische Farbwelt von Sieben weitgehend abstrakt. 

Der entscheidende Berührungspunkt liegt in der Kraft und Kompromisslosigkeit, die in den Werken beider Künstler zum Ausdruck kommt – in Deroubaixs versatzstückhaften apokalyptischen Szenen voller Skelette, Tierkadaver und gefährlicher Tiefseefische ebenso wie in Siebens Farbstrudeln und -fetzen. Wer sich intensiver mit den Künstlern beschäftigt, entdeckt weitere Gemeinsamkeiten. Für beide stellt Musik – allerdings in unterschiedlichen Gattungen – einen wichtigen Bezug dar: Sieben hat eine klassische Klavierausbildung absolviert; Deroubaix ließ in seiner Ausstellung „Die Nacht“ Besucher Songs der amerikanischen Death-Metal-Band Six Feet Under hören. 

Das zweite Künstlerpaar besteht aus Johannes Lotz und Eric Corne. Lotz, der 1975 in Saarbrücken geboren wurde, malt in Öl oder Tempera geheimnisvolle Figuren. Da sind Männer und Frauen, Hunde und Häuser, aber sie sind kaum auszumachen in dem vielfarbigen Wirbel aus abstrakten Fragmenten, der den Bildraum füllt. Das Auge kommt nicht zur Ruhe; es kreist über Lotz‘ kleinteiligen Bildern auf der Suche nach einem Halt, einem kompositorischen Zentrum. Obwohl es in Lotz‘ Gemälden zahlreiche Figuren gibt, sind seine Werke nicht im eigentlichen Sinne narrativ – Zusammenhänge bleiben offen und bieten dem Betrachter viel Stoff zum Rätseln.

Ähnlich schwer zu durchschauen sind die Arbeiten seines Gasts Corne, der in Paris lebt. Auf dessen jüngsten Ölgemälden spielt sich immer wieder die gleiche Szene ab: Ein Mann, der nur schwarze Unterhosen trägt, steht vor einer Staffelei und malt eine nackte Frau. Die Interieurs wechseln von Bild zu Bild, Dielenfußboden oder roter Teppich, blau gestrichene Wände oder grobe Mauern, die sich über surreale Durchbrüche nach außen öffnen. Cornes Bildraum, der zugleich flach und tief erscheint, kippt die Figuren seltsam nach vorn zum Bildrand, als stünden sie auf einer schiefen Ebene. Wie bei Lotz bleibt die narrative Dimension rätselhaft: Was tun der Maler und sein Modell hier? Gibt es eine bildinterne Geschichte, eine Logik? Oder geht es Corne vielmehr um künstlerische Selbstreflexion; malt er sozusagen eine Abhandlung über das Malen? Die Antworten bleibt der Franzose, der auch als Kurator arbeitet, schuldig. 

Mane Hellenthal hat zwei Künstlerkollegen aus dem Nachbarland eingeladen: François Génot und Jérôme Zonder. Mit Génot verbindet die Saarbrückener Künstlerin das Interesse für die Natur. Hellenthal, geboren 1957, begeistert sich für Berge, die in ihrer Malerei ein häufiges Motiv bilden. Auf großen Leinwänden oder Holzplatten zeigt sie Gipfel in verfremdeten Farben, die eine majestätische Kühle, eine tiefe Ruhe ausstrahlen. Die Künstlerin ist fasziniert vom Streben der schweren Masse nach oben, Richtung Himmel – wenn sie Bauwerke malt, sind es oft Türme. Neben den Bergen bilden gemusterte Stoffe ein zweites Leitmotiv in Hellenthals Arbeiten, die häufig als Zyklen angelegt sind. 

Auch Génot, geboren 1981 in Straßburg, schätzt das Arbeiten in Serien. Es erlaubt ihm, ein Konzept in verschiedenen Variationen zu erforschen – so in der „Frost Collection“, die der Künstler im März dieses Jahres schuf. Génot trug dunkle Tinte großflächig auf Papier auf und ließ sie im Schnee vor seinem Atelier bei minus zehn Grad gefrieren. Auf den Blättern blühen nun zarte Eisblumen. Um die Natur, das Wachsen und Vergehen, um das geordnete Chaos des Vegetabilen kreist Génots Kunst. Ihren Ausdruck findet sie in Gemälden, Aquarellen, Kohlezeichnungen, Installationen oder Fotografien. Mal imitiert der im Elsass lebende Künstler in seinen Werken die Natur, mal holt er sie direkt in die Ausstellungsräume – in Form eines Baumstammes, in den er Schlangenlinien ritzt, oder als stachelige Brombeerzweige, aus denen er an der Galeriewand die Worte „Caresse moi“ formt. 

Während Génot leise Töne anschlägt, scheinen die Arbeiten von Zonder, Hellenthals zweitem Gast, geradezu zu schreien. Der Pariser, Jahrgang 1974, zeichnet mit Tusche, Bleistift oder Kugelschreiber alptraumhafte Szenen, ähnlich abgründig wie bei Deroubaix: Massengräber im Wald, halb verweste Gesichter, Kinder, die sich vor niedlichen Tapeten mit Messern bedrohen. Sein Stil ist überwiegend fotorealistisch, enthält aber auch Elemente, die aus Comics oder krakeligen Kinderzeichnungen entlehnt sind. Diese formalen Brüche entsprechen den inhaltlichen Gegensätzen in Zonders Werken, die Unschuld, Sex und Gewalt aufeinanderprallen lassen.

Aus den Arbeiten aller sieben Künstler spricht etwas Ungezügeltes, Lebendiges. Es ist in Siebens kraftvollen Abstraktionen zu spüren und in Deroubaixs düsterer Metal-Welt, in den geheimnisvollen Figuren von Lotz und Corne, in Hellenthals Gipfelbildern, Génots Hommagen an die Natur und Zonders provokanten Zeichnungen. „Château Sauvage“ ist also ein Titel, der im doppelten Sinn zur Ausstellung passt: einerseits zum Veranstaltungsort Schloss Fellenberg, andererseits zu den ungezähmten Künstlern aus Frankreich und dem Saarland.

Anne Kohlick

Link zum Archiv Schloss Fellenberg